»Ist Schlagzeug eigentlich auch was für ...

»Ist Schlagzeug eigentlich auch was für Mädchen?«

May 26, 2024

Kurzversion

Die Kurzversion dieses Beitrags lautet: Ja! Schlagzeug ist auch was für Mädchen. Punkt.

Wieso und warum in der nachfolgenden, ausführlicheren Variante.

Meine sich wiederholende Geschichte

Immer wieder tauchen zu »Schnupperstunden« Eltern mit Schlagzeug begeisterten Töchtern auf, die wissbegierig alles ausprobieren. So wie das Mädchen, das auf Anhieb den Groove zu Michael Jacksons »Billie Jean« mitspielen kann, 1000 Fragen stellt, in 3 Minuten einen Kanon auf dem Vibrafon lernt, und ständig gekonnt rhythmisch tanzt, sobald irgendein Rhythmus erklingt.

Es ist nicht das erste Mal, dass keine anschließende Anmeldung erfolgt. Nach mehreren E-Mails mit den Eltern muss ich, ebenso enttäuscht wie die Kleine vermutlich auch, frustriert aufgeben. Schlagzeug sei nicht das richtige, und doch eher was für Jungs.

Auch auf die Gefahr hin, manch männlichem Drummer jetzt viel abzuverlangen, muss die Katze doch gleich aus dem Sack. Fakt ist: Die ersten, uns historisch bekannten »Drummer« waren weiblich! Und ausreichend Beweise dafür, dass Schlagzeugerinnen nach wie vor eine bedeutende Rolle für gesamte Musikszene spielen, findest Du in diesem Artikel.

»Klassische« Vorstellungen

Im Gegensatz dazu ist die Vorstellung einer Geige, Klavier oder Querflöte spielenden Tochter für viele Eltern nach wie vor die bevorzugte. Die Ursache solcher Unsicherheiten liegt aber wohl vor allem darin, dass Eltern für das Instrument Schlagzeug die Blaupause fehlt.

Trotz aller »modernen« Entwicklungen begegnen viele Eltern der Geige und dem Klavier tendenziell mit »gebotener« Ehrfurcht. Als »leichter« gelten Gitarre oder Keyboard. Und das »Schlagzeug« ist – wie schließlich schon der Name sagt – Zeug, worauf vor allem Mann draufschlägt.

Warum nichts der Realität ferner ist, erfährst Du in diesem Beitrag: »Schlagzeug, das ist mehr als Du denkst. Wetten?«

Schlagzeug- eine »Veranlagung«?

Ein anderer, häufiger Gedanke betrifft die Frage der Veranlagung: »können« Mädchen grundsätzlich genauso (gut) Schlagzeug lernen wie Jungs? Manche Eltern denken dabei an körperliche Aspekte wie »Kraft« und »Körperbau«. Andere beschäftigt eher die Frage der Mentalität: braucht man dazu nicht typischerweise jungenhaftes Durchsetzungsvermögen? Oder noch schlimmer: Das Schlagzeug verdirbt den weiblichen Charakter?

Aber welche der »klassischen Konditionierungen« auch immer uns in Zusammenhang mit der Frage beschäftigen mögen: Für alle diese Zweifel finde ich in 35 Jahren Schlagzeuglehrer-Praxis keine Belege. Die Herangehensweise von Mädchen und Jungs an das Instrument Schlagzeug mag unterschiedlich sein. Gerade das aber bietet viele Möglichkeiten gegenseitiger Bereicherung, und die Option, voneinander zu lernen.

Dass Mädchen natürlich können, beweisen im Internet viele junge Talente. Zum Beispiel Alena Chirkova. Hier ihre beeindruckende Interpretation der anspruchsvollen Komposition »Tornado« von Mitch Markovich.

Musikerinnen und Musiker denken nicht in »Geschlechtern«

Gefühlt spielt das Geschlecht unter meinen Schlagzeug-Heroes keine Rolle. Für Musikerinnen und Musikern das Gefühl wichtig, zueinander zu passen. Es muss musikalisch klicken! So wie sich Menschen sich das in anderen Partnerschaften auch wünschen. Zu meinen größten Vorbildern an den Drums gehören einige Frauen, zum Beispiel Musikerinnen wie:

Schlagzeugerinnen im Jahr 2380 v. Chr.

Die eingangs erwähnte, immer noch weit verbreitete Annahme, Trommeln sei typisch maskulin, ist historisch unbegründet: Die ältesten, uns bekannten Abbildungen trommelnder Menschen stammen aus Mesopotamien, und zeigen ausschließlich Frauen! Die tonangebenden »Drummer« dieser Zeit waren offensichtlich weiblich.

Lipushiau, die Erste, uns namentlich bekannte »Schlagzeugerin« ist eine Priesterin. Im Jahr 2380 v. Chr. war sie Oberhaupt des »Ekishnugal«, des obersten Tempel des Stadtstaates Ur, der damals alle umliegenden Staaten unterworfen hatte. Ihr Instrument ist eine Rahmentrommel, die sogenannte »balag-di«, mit der die Zeremonienmeisterin Ihre Gemeinde durch liturgische Gesänge führt.

Als Fachfrau auf dem Gebiet »Trommelhistorie« gilt die renommierte Perkussionistin und Forscherin Layne Redmond. Sie hat sich lebenslang mit der Geschichte des Trommelns beschäftigt. In ihrem Artikel vom Dezember 2000 für die internationale Fachzeitschrift »Drum Magazine« resümiert sie: »Im Jahr 2380 v. Chr. herrschte Lipushiau!« Die erwähnten Liturgien beschreibt sie als »Rave-artige« Zeremonien, die sich über mehrere Tage erstreckten.  

Layne Redmond

Layne Redmond gilt als verlässliche, und ernst zu nehmende Quelle. Unter den Musikhistorikern ihrer Zeit galt sie als führend. In der Februar-Ausgabe 2000 der Zeitschrift »Drum« Name wird ihr Name in einer Liste der 53 wichtigsten Schlagzeugerinnen und Schlagzeuger der 1990er Jahre erwähnt. Man findet sie dort in einer Reihe neben Musikern wie Tony Williams, Roy Haynes, Zakir Hussain, Elvin Jones oder Mickey Hart.

Internationales Aufsehen erregte ihr Buch »When the drummers were women« – inzwischen ein Standardwerk in Sachen Geschichte des Schlagzeugs.

Laut ihrer Forschung war die Rahmentrommel in der Zeit von 3000 v. Chr. bis 500 n. Chr. überhaupt das vorherrschende Schlaginstrument. In den Zivilisationen Anatoliens (der ursprünglichen Türkei), Mesopotamiens, Ägyptens, Griechenlands und Roms ist sie bis heute das zentrale Instrument der mystischen und religiösen Tradition.

Eine private, umfangreiche Sammlung antiker Bilder des heute führenden Rahmentrommel-Virtuosen Glen Velez zeigt die Trommel fast ausschließlich in den Händen von Frauen.

Auch in der afrikanischen Tradition, für viele westliche Musikfreunde die Trommelkultur par excellence, spielen weibliche Drummer eine bedeutende Rolle.

Schlagzeug-Schülerinnen in der Musikschule

Als Lehrer empfinde ich die zunehmende Anzahl von Schülerinnen als absolute Bereicherung der Schlagzeugklasse insgesamt. Die in der Regel unbedarft interessierte Herangehensweise vieler Mädchen inspiriert mich, und erweitert meinen Horizont. Nicht selten beeindrucken sie durch besondere Zielstrebigkeit und Fokus.

Gefühlt haben Mädchen weniger Angst, »Fehler« zu machen. Es überwiegen Spaß und Freude an der Sache. Unterm Strich habe ich den Eindruck, Kinder sind am Schlagzeug, aber vor allem Kinder – und weniger »Jungs« und »Mädchen«.

Diese Schlagzeugerinnen solltet Ihr unbedingt kennenlernen

Abschließend einige weitere, für Dich und Sohn / Tochter gleichermaßen bereichernde Liste mit Links zu bekannten Schlagzeugerinnen unserer Zeit:

Die Welt ist groß, und glaubt mir, es gibt noch einige bemerkenswerte Schlagzeugerinnen mehr. Leider viel zu viele für einen Blogbeitrag. Ich hoffe, dieser Beitrag kann Dich und Dein Schlagzeug interessierte Tochter dazu inspirieren, es doch einfach mal zu versuchen.

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