Kann man »das Üben Zuhause« üben?

Kann man »das Üben Zuhause« üben?

Apr 21, 2024

Eindeutig: Ja! Wie das wunderbar funktionieren kann, darum geht es in diesem Beitrag. In persönlichen Gesprächen über »Gerne zum Unterricht - aber Zuhause bleibt das Schlagzeug unberührt« kam die Frage nach konkreten Anregungen auf:

Wie genau lässt sich »das Üben Zuhause denn üben«? Meiner Erfahrung nach gibt es sehr gute Methoden, die sogar unabhängig vom Instrument funktionieren. Selbst viele meiner erwachsenen Schüler erzielen damit immer wieder Sofort-Ergebnisse. Unsere künftigen Trommelwunder werden das Üben Zuhause lieben lernen! Und so manche Lernhilfe wende auch ich immer wieder an. Beispielsweise dann, wenn ich Inspiration suche, oder neue Motivation brauche.

Heute also ein alltagstaugliches Mittelchen aus der »Schlagzeug-Flüsterer-Hausapotheke«, das sich Zuhause von jetzt auf gleich umsetzen lässt. Und das unabhängig von irgendwelchem Fachwissen oder musikpädagogischer Vorbildung.

Bevor wir einsteigen ein herzliches Dankeschön für die positiven, teils herzlichen Rückmeldungen zu oben erwähnten Blog-Post. Über die schönen Erfolge, die einige aus dem Stand erzielen konnten, freue ich mich riesig!

Der »Werbeblock«

Wenn Euch die »Schlagzeug-Flüsterer« Seite gefällt, markiert hilfreiche Beiträge mit einem Like (Herzchen oben links klicken). Unter anderem hilft mir das immer besser zu verstehen, welche Themen am meisten interessieren. Davon abgesehen tut die moralische Unterstützung gut.

Bitte jetzt die Seite durch ein Abo unterstützen. Danke!

Wunschthemen und Anregungen, wie zuletzt die Idee »Probenbesuch bei professionellem Orchester- oder einer Big Band«, gerne in die Kommentare oder per Mail. Ich kümmere mich darum!

Okay. Let's go üben lernen!

»Wie geht eigentlich üben?«

Zunächst zwei aufschlußreiche Erlebnisse aus dem Musikschulalltag. Um die möglicherweise Logik unserer Trommelwunder im Werden zu beleuchten. Hier ein Beispiel aus dem letzten Jahr.

Ein knapp 6-Jähriger fragt mich in der Stunde: »Wie geht eigentlich üben?«

Der Hintergrund: Die Mutter hat ihn überraschend abgemeldet. Schon heute ist unsere letzte Stunde. Er ist spürbar traurig. Er kämpft sogar mit den Tränen, und fühlt sich durch die Abmeldung »bestraft«. Ihm ist schleierhaft: wofür eigentlich?

Die Mutter begründet die Abmeldung damit, dass er Zuhause einfach nicht »übt«. Zwar komme er gerne zum Unterricht – aber ohne Üben bringe das ja schließlich nichts.

Das meint sie nicht mal böse. Ihre Überlegung ist schlicht: »wenn Kind eh nicht übt, ist das Geld woanders sinnvoller angelegt«. Was der Gedankengang leider ausklammert ist: Ihr Sohn hat keine Vorstellung davon, was von ihm erwartet wird. Ganz offensichtlich fehlt ihm jede Erfahrung. Die Tränen sind daher verständlich, und ich empfinde die Abmeldung als relativ tragisch.

Aber die Mutter bleibt dabei. »Wenn er älter ist, und es sich anders überlegt, kann er ja wiederkommen«. Manche werden das nicht gerne lesen: Aber nach diesem Erlebnis ist »später wiederkommen« statistisch gesehen mehr als unwahrscheinlich.

Nun, zumindest ist die Geschichte mitverantwortlich dafür, dass ich diesen Blog hier für Schüler-Eltern ins Leben gerufen habe. Einmal mehr hat mir das Erlebnis bewusst gemacht, wie wichtig es ist, die Kunst »erfolgreich üben« zu vermitteln. Das zeigt auch mein zweites Beispiel.

Erfahrungen ermöglichen

Ich erkläre einem 9-Jährigen den sogenannten »Paradiddle«, ein typisches Schlagzeug-Pattern. Als ich die Figur in der nächsten Stunde wiederholen will, protestiert er empört: »Das hatten wir doch schon letzte Woche!«

Er weiß nicht, dass ein »gekonnter« Paradiddle beispielsweise bedeutet: »gespielt @Tempo 120 bpm«. Nicht mal, dass das überhaupt ein erstrebenswertes Ziel sein könnte. Geschweige denn, dass es bis dahin, je nachdem, Jahre braucht.

Er hat auch noch keine Vorstellung davon, wie beweglich einen das Meistern der Figur hinter dem Schlagzeug macht. Mit welcher Leichtigkeit man sich beispielsweise von einer Seite des Drum-Sets zur anderen bewegen kann. Dazu gibt es übrigens einige von 8-14-Jährigen komponierte Paradiddle Anwendungsbeispiele hier zum Download.

Für »meinen« 9-Jährigen liegt da im Moment einfach ein Blatt auf dem Notenpult. Darauf steht: RLRR LRLL. Rechts bedeutet rechte Hand, links gleich linke Hand. Kapiert!

»... habe ich letzte Woche gemacht« - so erst mal die Logik. Lektion abgehakt  

»Schlagzeug-Flüsterer«

Als »Schlagzeug-Flüsterer« besteht jetzt unsere Aufgabe darin, dem Trommelwunder im Werden eine »Ein-Sicht« zu ermöglichen. In diesem Fall die spezifische Erfahrung, dass »Wiederholung« gewünschte Fähigkeiten unweigerlich (!) verbessert. Eine Erfahrung, die live klarmacht: Dies oder jenes zu tun, bringt mich meinem Wunsch, Schlagzeug spielen zu können, erwiesenermaßen näher.

Die Kunst des Übens

Dazu braucht es drei Dinge: Ich muss ein Ziel erkennen können, den Wunsch verspüren, es erreichen zu wollen, und durch eine, in ihrer Wirkung möglichst selbsterklärende Erfahrung, erleben, wie mir das unausweichlich gelingt! Vertrauen schaffen.

So kann das Üben »wertvolle Zeit sein für mich«, und ein »Kraft spendender Ruhepol« und Anker im Alltag werden. Etwas, das ich in erster Linie tue, weil es mich bereichert. Mit dem praktischen Nebeneffekt, dass es aus mir einen fähigen Instrumentalisten macht.

In dem Maße, in dem diese Erfahrung zu vermitteln gelingt, verwandelt sich »Üben müssen« in »das Bedürfnis danach haben«. Aus dem Grund wird »Trommelwunder im Werden« es gerne tun.

Ich habe mir die Kunst des effektiven Übens verspätet, im Erwachsenenalter selbst beibringen müssen. Weil mir früher, wie vielen anderen, zwar vermittelt wurde, was »man« alles können »muss«, um »gut« zu sein. Mit dem Ergebnis allerdings, dass ich »als ein 'man' von vielen« irgendwann vor einer gefühlt unüberschaubaren Wand an Information stand. Ohne die geringste Ahnung, in welcher Reihenfolge ich sinnvollerweise welche Informationen aus dem Regal ziehe.

Statt: zu lernen, wie man sich selbstständig erarbeitet, was man tatsächlich wissen möchte. Und dass es nicht nur in Ordnung, sondern sogar ratsam ist, bei dem anzufangen, was mich tatsächlich »bewegt«:

Das »wie« ist für jeden anders, und das Lernen an den eigenen Neigungen entlang der effektivste und kürzeste Weg. Und darüber hinaus der einzige, der einen wirklich zutiefst erfüllt.

Dass die vom lieben Gott unterschiedlich gestreuten Vorlieben, Talente und Schwerpunkt-Interessen wünschenswert sind, beweist unter anderem die Tatsache, dass genau sie es sind, die im Resultat unsere Einzigartigkeit als Künstler und Mensch ausmachen.

»Experiment« statt Hausaufgabe

In unserem kleinen Übe-Experiment wird es genau darum gehen: Die oben beschriebene Erfahrung zu ermöglichen.

Statt von »üben« zu sprechen, laden wir lieber zu einem »Experiment« ein. So sind wir von vorneherein über jeden »Verdacht« erhaben, nur etwas womöglich Ungeliebtes schmackhaft machen zu wollen. Ich persönlich versuche alles, was potenziell mit Schule, Hausaufgaben oder womöglich »Nachhilfe« assoziiert werden könnte, bewusst zu vermeiden. Davon soll die Musik frei sein.

»Das Experiment« basiert auf einer gebräuchlichen Coaching-Technik zur Selbstmotivation.

Die habe ich ursprünglich in einem Vortrag der Autorin und Managementtrainerin Vera Birkenbihl kennengelernt. Ihre Anregung habe ich dann einfach in abgewandelter Form übernommen. Seither mache ich mit dem Experiment wunderbare Erfahrungen bei Schlagzeugschülern jeden Alters.

Ich bringe solche Experimente grundsätzlich erst dann ins Spiel, wenn sich ein »Bedarf« zeigt. »Bedarf« heißt: in dem Moment, in dem ein Schüler von sich aus das Bedürfnis nach »ich will besser werden« äußert. Das geschieht so gut wie nie in Form einer direkten Frage. Etwa im Sinne von »Hey, Peter. Ich möchte mich verbessern. Wie mache ich das. Sage an mir frisch?«

Es sind eher Gelegenheiten, bei denen sich der Wunsch indirekt zeigt. Beispielsweise in Form von Ärger: »Ach Mensch, ich kann das nicht.«

Das ist der Moment, in dem ich »zuschlage« 😂.

Reflexartig spiele ich meine Trumpfkarte: »Ich kann Dir zeigen, wie Du das ganz sicher lernst. Soll ich?« Ich habe noch keinen Schüler erlebt, der darauf jemals mit »Nein« geantwortet hätte. In der also von mir leicht modifizierten Form sieht das Experiment so aus:

So gehts!

Ich erkläre meinen Schülern: Für das Experiment brauchst Du außer Sticks und Schlagzeug

  • ein Handy oder alternatives Aufnahmegerät

  • eine Eieruhr

Ja, genau! Eine Eieruhr.

Schritt 1

Lege ein Zeitfenster fest: wie viel Zeit willst Du täglich investieren? (Sei realistisch.)

Schritt 2

Spiel, was Du lernen möchtest, und nimm diesen ersten Versuch auf. »Falsch« und »richtig« gibt es dabei nicht. Spiel, was Du lernen möchtest, einmal komplett durch, egal wie. Mit allen Fehlern, mit hängen bleiben, ausgelassenen Schlägen, daneben hauen und so weiter.

Egal!

Es geht nur darum, den »Ist« Stand Deines, sagen wir Paradiddles, Grooves, oder einer Leseübung festzuhalten. Zwecks Dokumentation für Dich selbst.

Abschließend notierst Du das ungefähre Tempo in Schlägen pro Minute (Beats per Minute = bpm). »Schläge pro Minute«, das ist das, was die Zahlen auf Deinem Metronom meinen.

Du benutzt doch eins, oder? Wenn nicht, dann jetzt besorgen! Richtig gehört. Jetzt!

Für den Anfang reicht eine gratis App für Handy oder PC völlig aus. Ich verwende auf meinen Rechnern die Applikation Metronom Online.

Schritt 3

Jetzt machst Du es Dir einmal am Tag gemütlich: Du spielst, was Du lernen willst, jeden Tag genau die geplanten 5 Minuten lang. Bevor Du loslegst, stellst Du Dir die Eieruhr! Sobald die Eieruhr klingelt, hast Du frei. Mission erfüllt!

Das kann bedeuten, etwas anderes auf dem Schlagzeug zu spielen, etwas völlig anderes zu tun, oder, wenn Du Lust verspürst, einfach weiterzumachen.

💡>>> Gelerntes muss sich setzen können: Also hast Du an einem Tag in der Woche Pause!

Schritt 4

Nach zwei Wochen machst Du wieder eine Aufnahmesession. Auch heute gibt es kein »falsch« und »richtig«. Du spielst, was Du lernen möchtest, wieder komplett, so wie es kommt durch.

Mit allen »Unreinheiten«. Falls Du »rausfliegst«, einfach ab der Stelle weitermachen.

Schritt 5

Nach 30 Tagen nimmst Du Dich erneut auf: ohne »falsch« und »richtig« ... alles einmal durch ... mit verbleibenden Fehlern, mit hängen bleiben, ausgelassenen Schlägen, daneben hauen … wie gehabt.

Schritt 6

Jetzt hörst Du Dir die drei Aufnahmen nacheinander an. Wenn Du konsequent »Deine täglichen 5 Minuten« erledigt hast, wirst Du Unterschiede bemerken? Wenn Du möchtest, schreib auf, was sich verändert hat. Beispielsweise »Tempo«, »Takt 3 ging flüssiger« … was auch immer inzwischen besser klappt.

Schritt 7

Vergiss nicht, Dich zu feiern 😇

Anmerkung

Das kleine Experiment ist nicht dazu da, Dir selbst irgendwas zu beweisen. Vielmehr geht es darum, Dich selbst kennenzulernen. Man spricht auch von »wertfreiem Beobachten«.

Einfach schauen, was wie geht. Oder anders gesagt: Ein Gefühl dafür zu bekommen, was Du persönlich in 4 Wochen mit »täglich 5 Minuten« erreichen kannst.

Jetzt, wo Du weißt, was Du mit wie viel Einsatz erreichen kannst, kannst Du anfangen, Deinen Erfolg wie einen Einkauf zu planen! Und das schöne ist: Du kannst Dir alles »kaufen« was Du willst.

Du überlegst zum Beispiel: Was möchte ich erreichen? In welcher Band möchte ich mal spielen? Oder welche Musik? Welchen Schlagzeuger / Musiker finde ich toll?

So lernst Du sogar abzuschätzen, wie viel Zeit täglich Du planen musst, um Ziele in einem von Dir selbst festgelegten Zeitraum zu erreichen. Wenn Du beispielsweise in 3 Jahren in einer bestimmten Band, oder eine bestimmte Musikrichtung spielen willst, kannst Du jetzt genau planen – und machst Dich dann ganz entspannt an die Arbeit.

Wissend, dass, und sogar ziemlich genau wann Du Dein Ziel erreichen wirst.

Das Experiment selbst findest Du zum Abheften hier als PDF zum Download: »Das Üben üben« #1!

Dank an »Foundry« für die schöne Bibliothek, und an Vika Glitter für das inspirierende Experiment-Foto!

Für heute Tschüss mit einem inspirierenden Foto, das mir mein inzwischen ehemaliger Schüler Felix aus Australien geschickt hat. Herzchen, abonnieren und Fragen stellen nicht vergessen!

Enjoy this post?

Buy »Schlagzeug-Flüsterer« a cappuccino

1 comment

More from »Schlagzeug-Flüsterer«